Mittwoch, 7. März 2012

Interviews (1)

Der Bier-Sommelier

Das Wort reimt sich, wenn man es hochdeutsch ausspricht: Bier-Sommelier. Andree Vrana ist Braumeister bei der Malzmühle am Heumarkt. Da setzt er Kölsch an. Und nebenher probiert er so einiges aus. An jenem Morgen um 11 wird im Beichtstuhl gerechnet, die Köbesse richten die Tische her und es riecht nach Kölsch und Senf. Andree Vrana nimmt an einem Hochtisch in der Schwemme Platz.

Im letzten Jahr haben Sie an der Biersommelier-WM teilgenommen. Wie muss man sich so einen Wettkampf vorstellen?

Da finden wie bei jedem großen Turnier Vorausscheidungen statt. Die 50 Bsten kamen dann zur Endrunde, da waren Sommeliers aus Lichtenstein, Brasilien oder auch Italien dabei.

Bier aus Italien?

Oh ja, Hausbrauereien, das ist eine Boombranche in Italien.

Italienisches Bier ist teuer und labberig.

Richtig, so war das bisher. Aber die haben sich inzwischen viel bei den deutschen Brauern abgeguckt und machen ganz phantastische Biere.

Läuft so eine WM wie Loriots Benimmkurs: Am Ende haben die Probanden so viel getestet, dass alle nur noch lallen?

Nein. In der 1. Runde zum Beispiel bekamen wir zehn Biere mit sogenannten Off-Flavours vorgesetzt. Da geht es darum, mit der Nse zu erkennen, was da Besonderes drin ist. Das kann mal ein echter Fehlgeruch sein, mal ein positiver, der aber nur für dieses spezielle Bier geeignet ist.

Welcher etwa?

In einem böhmischen Pils wäre Diazetyl angebracht, ein butteriges Gärungsnebenprodukt. In einem deutschen Pils hingegen nicht. Und so etwas musst du als Biersommelier erkennen.

Und wie entsteht so ein regionaltypischer Geruch?

In dem Fall war das ursprünglich ein Nebenprodukt, das sich durch leichte Verunreinigung entwickelte. Als Pilsener Urquell sich dann eine neue Edelstahl-Brauerei baute, verschwand das Diazetyl, und die Kunden erkannten ihr Pils nicht wieder.

Also mussten die ihr Bier künstlich verunreinigen?

Nein, Diazetyl ist einer von rund 600 verschiedenen Stoffen, die während der Gärung entstehen und dem Bier sein Aroma verleihen. Normalerweise wird Diazetyl dann in der Nachgärung abgebaut. Aber wenn man frühzeitig runterkühlt, kann man es erhalten.

Bier-Sommelier, das klingt für den normalen Thekensteher ein bisschen überkandidelt. Woher stammt der Begriff?

Der stammt aus Kreisen der deutschen und österreichischen Braumeister-Organisationen. Seit gut zehn Jahren sinkt der Bierkonsum gegenüber dem von Wein. Und die Leute sagten sich: Wir wollen den Menschen jetzt mal zeigen, dass es auch im Biersektor sehr gute, hochwertige Produkte gibt.

Also eine Marketing-Sache?

Jedenfalls nicht im Sinne von Schaumschlägerei. Es geht darum zu zeigen, dass es neben den industriell hergestellten, langweiligen Fernsehbieren noch andere gibt, die handwerklich hergestellt werden und einen ganz eigenen Charakter haben.

Was meinen Sie mit „Fernsehbiere“?

Die großen, im Fernsehen beworbenen Marken, schmecken inzwischen weder herb noch malzig, die sind alle sehr ähnlich. Und das ist mit ein Grund, warum die Menschen auf Wein umsteigen.

Sommeliere stellen auch die Getränke zum Essen zusammen. Machen wir es doch einmal genau umgekehrt und fragen: Welches Essen passt am besten zu folgenden Bieren: Pils?

(Andree Vrana hat offensichtlich Spaß an dieser Aufgabe. Er konzentriert sich, blickt in die Luft und scheint in Gedanken bereits vorzuschmecken, was er gleich empfehlen wird.)

Ein Pils ist ein schlankes Bier, hochvergoren, wenig Malzzucker, herb. Eignet sich gut als Aperitiv, denn die Kohlensäure regt regt die Speichelproduktion im Mundraum an und damit den Appetit. Auch ein milder Fisch ginge damit gut.

Was essen wir zum Alt? Salzstangen?

Wenn wir von Alt aus einer guten Hausbrauerei reden, von einem stark gehopften Bier mit intensivem Röstmalzaroma, dann könnte man dazu gut gewürzte, auch scharfe Speisen empfehlen.

Guinness?

Ich trinke gern Guinness Export, das ist mit 8% Alkohol doppelt so stark wie normales. Die verwenden außer Gerstenmalz auch den Rohstoff Gerste, das entspricht also nicht dem Deutschen Reinheitsgebot. Aber dafür entwickelt es wunderbare Röstaromen und gibt einen festen Schaum. Dazu passen zum Beispiel Austern.


Und zuletzt natürlich Kölsch, oder in Ihrem Fall Mühlenkölsch?

Klarer Fall, zu so einem gut gehopften Bier isst man einen klassischen Halven Hahn (lacht).

Welchen Negativruf muss Bier heutzutage loswerden?
Auf Karikaturen sieht man keine Biergenießer, sondern immer nur Säufer.

Sollte man beim Biertrinken den kleinen Finger abspreizen?

Nein, das natürlich nicht, aber man kann seinen Biergenuss durchaus verfeinern. Ich habe zu Hause einen Klimaschrank, und wo andere sich ein Fläschchen Wein hochholen, suche ich mir ein besonderes Bier aus diesem Schrank aus.

Gibt es Leute, die sagen: Andree, was soll der Quark?

Na klar, die kommen bei mir Fußball gucken und beschweren sich, weil ich kein normales Kölsch besorgt habe. Auf positive Reaktionen stoße hingegen ich oft in meinen Bierseminaren. Da sind es häufig die Weintrinker, die einen Sinn für die verschiedenen Aromen entwickeln und dann richtig Spaß am Testen haben.

Sie sind seit 25 Jahren bei der Malzmühle als Kölschbrauer beschäftigt. Ihr Name klingt allerdings nicht so richtig rheinisch.

(lacht) Tja, mein Opa ist noch kölsch, aber mein Uropa muss wohl aus dieser Ecke Slowenien, Polen oder so gekommen sein.

Eine verborgene genetische Affinität zu tschechischem Pils haben Sie aber nicht?

Nä! Ich trinke es gern, klar, aber ein gutes Kölsch ist mir lieber.

Zuletzt haben Sie ein Bier mit Champagnerhefe angesetzt.

Ja, das entsprach vollkommen dem Reinheitsgebot.

Und was ist der Unterschied zwischen solchem Champagnerbier und den bei Jugendlichen beliebten Alcopops?

Ich kippe nichts zusammen. Man kann Kirschsaft ins Bier schütten, wie das manchmal in Belgien gemacht wird. Die handwerklich saubere Alternative wäre jedoch, die Kirschen bereits beim Gärprozess hineinzugeben.


Der Trend geht eher in die andere Richtung: Biere werden plötzlich „blond“ und immer milder.

Genau, und das mit der Begründung, dass vor allem Frauen nicht auf bitter stehen. Dabei sieht man überall Frauen mit Aperol oder Campari-Orange in der Hand. Auch bei meinen Verkostungen mögen gerade die Frauen die herberen Biere.

Die kölschen Brauer gelten ja eigentlich als sehr konservativ. Beißt sich das nicht mit Ihrer Experimentierfreudigkeit?

Ich hatte es schon schwer, als ich 2006 als Sommelier angefangen habe. Aber das ist eben ein Trend, man muss mit der Zeit gehen.


Dürfen Sie Ihre Kreationen „Kölsch“ nennen?

Nein! Das ist ja ein geschützter Begriff. Unser „Von Mühlen“ nannte eine Zeitung „Champagner-Kölsch“ - das waren direkt zwei EU-weit geschützte Regionalmarken auf einmal. Und wenn ich jetzt Kirsche beisetzen würde, widerspräche das nicht nur der Kölsch-Konvention, sondern darüber hinaus auch dem Reinheitsgebot.

„Von Mühlen“ wird in Schampusflaschen verkauft, und da sei sogar Karamell drin, habe ich gelesen.

Da ist ein Hauch von Karamell im Aroma und Geschmack, durch das karamellisierte Gerstenmalz. Nicht Karamell wächst auf dem Feld, sondern Gerste. Mir geht´s halt darum, dass die Leute nicht so blind werden, dass bald alle Biere auf der Welt gleich schmecken.

Man sagt, dass in Hausbrauereien wie Päffgen oder der Malzmühle sogar jeder Brauvorgang leicht unterschiedliches Kölsch hervorbringt. Stimmt das?

Ja, aber das merken auch nur Menschen mit besonders guten Geschmackssensoren. Zum einen liegt das an den Rohstoffen, die variieren wie das Wetter und die Ernte. Und auch die eigene Sensorik kann jeden Tag nach Gefühlslage variieren. Ich sage immer: Der Luigi von der Ecke macht seine Pizza auch montags anders als dienstags. Und trotzdem entspricht das Endprodukt immer dem Haus-Charakter.

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Zur Person

Andree Vrana wurde 1970 in Köln geboren, er wuchs in Nippes auf. Nach dem Fachabitur absolvierte er bei der Malzmühle eine Lehre als Brauer und Mälzer. Auch 25 Jahre später arbeitet er noch immer für die Brauerei am Heumarkt.
Im Jahr 2004 zum Braumeister aufgestiegen, darf er sich seit 2006 zudem „Biersommelier“ nennen. Zuletzt entwickelte er „Von Mühlen“, ein Bier auf der Basis von Champagnerhefe. Andree Vrana, der inzwischen in Weidenpesch lebt, veranstaltet darüber hinaus auch Bierseminare und -tastings (s. www.coellenarium.de).

Erstveröffentlicht in der Kölnischen Rundschau.

Wer diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch zugeschickt bekommen möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.

1 Kommentar:

IWIKohnen hat gesagt…

Hallo Zusammen, ich frage mich wirklich ob der Bier-Sommelier zwei Bierchen zuviel getrunken hat. :-)

Selten so lustige und und auch unprofessionelle Zeilen gelesen.

Alexander Kohnen
akohen@iwi-edu.eu