Mittwoch, 26. September 2012

Thekentänzer (61)

„Na dann bis dann“

D. wusste, dass es heute wieder passieren würde. Er wusste es in dem Moment, da er den Laden betrat.
Der Kellner war völlig hinüber, jeder sah das. 4 Uhr nachts, die Musik viel zu laut und aus jener Zeit, da dieser alternde Kerl einmal jung gewesen sein mochte. Den Abend und die halbe Nacht hatte D. allein verbracht. In verschiedenen Online-Pokerunden zunächst, die ihm sogar einen kleinen Gewinn eingebracht hatten. Bevor er dann, gegen 1, die Wohnung verließ, setzte er sich noch kurz in seinen stinkenden Kellerraum. Dort nämlich stand sein „Gabentisch“, wie er ihn für sich nannte. Gaben, die die Welt ihm hatte zufallen lassen in ihrem gigantisch vertrottelten, verbrecherischen, überreichen Leichtsinn.
Der torkelnde Kellner rief die „Letzte Runde“ aus und drehte irgendein furchtbares Gitarrensolo aus den späten 1960ern bis zum Anschlag auf.
„Das ist die Originalversion“ grinste er dämlich-stolz.
„Das weiß ich, du Arsch“, antwortete D. in den Krach hinein.
Er wischte den feuchten Beschlag von seinem letzten Bud, trank und wartete. Die Kneipe leerte sich. Erst gingen die Pärchen, dann die Gruppen und danach, allmählich und jeder für sich, die einsamen Trinker. Zwei besonders trostlose Gestalten winkte D. mit einem dummen Witzchen zu sich und spendierte ihnen einen finalen Drink. Die Deppen lachten, genau wie der Kellner gutgelaunt, gutgläubig, blutäugig. Mit der letzten Gitarrenrückkopplung schaltete der die Anlage aus, drehte das Licht heller und begann, die Aschenbecher einzusammeln. D. beobachtete ihn, wie er vom ersten zum zweiten Tisch schwankte und schließlich im Durchgang zum Kicker verschwand. Dann langte er über den Tresen und zog den iPod vom Kabel.
„Arbeitest du nächsten Samstag auch?“ rief er dem Kellner im Gehen zu.
„Ja“, sagte der.
„Na dann bis dann“, sagte D.

Man kann niemandem trauen

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