Mittwoch, 25. November 2015

Kölner Interviews (42): Marcel Göd, FC-Fan und Groundhopper

Marcel Göd wurde 1977 in Köln geboren. Nach dem Fachabitur machte er eine Lehre als Industriemechaniker bei Ford. Am 1.9.2015 feierte er beim Autohersteller sein 20-Jähriges, und er visiert an, 2044 dort auch in Rente zu gehen. Im Privatleben ist Göd Groundhopper, d.h. er besucht so viele Fußballplätze wie möglich. Rund 3.000 Spiele hat er bislang gesehen und in den letzten 20 Jahren lediglich vier Matches des FC verpasst.
Marcel Göd lebt mit seiner Freundin in Heimersdorf.

Zum Termin im sportaffinen Irish Pub Corkonian erscheint Marcel Göd in einer FC-Trainingsjacke. Der Marathonreisende ist jedoch zugleich Marathonläufer, deshalb bestellt er eine Cola Zero.

Was ist ein Groundhopper?

Ich besuche möglichst viele Fußballstadien. Die Sammelleidenschaft, gepaart mit Reiselust und der Faszination für Fußball, machen das Hobby Groundhopping aus.


Chipude/La Gomera


Es gibt offenbar zwei Sorten: Die einen schwören auf das volle, die anderen auf das jungfräulich leere Stadion.

Ich zähle ganz klar zur ersten Gruppe. Wenn ich unterwegs bin, will ich möglichst viele Spiele sehen. Drei bis vier Matches kriegt man hin, für fünf an einem Tag muss schon alles zusammenpassen, das ist selten.

Wird man nicht rammdösig, wenn man das dritte Match hintereinander sieht?

Kommt aufs Spiel und mit wem man unterwegs ist. Aber alleine kann es tatsächlich schonmal hart werden. Wenn ich mit dem Zug zurück über die Hohenzollernbrücke komme und den Dom wiedersehe, bin ich froh, wieder zohuss zo sin.

Klingt nach einem recht stressigen Hobby.

Direkt nach meinem diesjährigen Urlaub bin ich mit dem ICE an die tschechische Grenze gefahren, habe mir ein Spiel angesehen und den nächsten Zug zurück genommen. Das war absolut entspannt, auch wenn ich knapp 20 Stunden unterwegs war.

Es müssen also nicht unbedingt berühmte Plätze sein?

Ich sehe mir auch die Kölner Kreisliga an ...

... ich habe in der E-Jugend des SC Meschenich gespielt.

Ausgerechnet in Meschenich war ich leider noch nicht. Aber eines meiner Ziele ist, alle Kölner Fußballplätze besucht zu haben.

Gehören Fotos jedes Grounds unbedingt dazu?

Mittlerweile schon. Bei einem Dorfplatz reichen meistens 10-12 Bilder, um alles Sehenswerte zu erfassen. Ein richtiges Stadion braucht bis zu 30. Letztens in Frankfurt/Oder war das Stadion so geil, davon habe ich direkt 50 Fotos auf meine Facebook-Seite gestellt.

Was zieht Sie an?

Stadien wie die alte Radrennbahn in Mönchengladbach, wo auf den Stufen das Moos wächst. Oder das alte Stadion „Weidenpescher Park“, wo früher der VfL Köln 99 spielte.

Agulo/La Gomera

Wie sieht es mit Stadien an den Enden der Welt aus?

Ich hatte, bis letztes Jahr, 28 Jahre lang mit Klaustrophobie zu kämpfen. Ich konnte nicht fliegen oder auch nur durch längere Tunnel fahren. Deshalb habe ich mich eher in Deutschland und im benachbarten Ausland rumgetrieben.

In Müngersdorf hatten Sie nie Probleme mit der Enge?

Nein, unter freinem Himmel ging es immer. Aber ins Wintertrainingslager des FC nach Portugal bin ich vor 15 Jahren noch die kompletten 2.600 Kilometer mit dem Zug gefahren.

Haben Sie auf solchen Reisen Kontakt zu den Spielern?

Es gibt dann immer die Mannschaftsabende, aber ich gehe selten auf jemanden zu. Zu Alexander Bade hatte ich einen ganz guten Draht, dem ehemaligen Torwart und Torwarttrainer.

Waren Sie selbst auch Torwart?

Bei den alten Herren, ja. Da hieß es wie so oft: Der Dickste geht ins Tor.

Sie sind doch gertenschlank!

Als vor vier Jahren meine Mutter starb, habe ich mein Leben um 180 Grad geändert. Seitdem habe ich in der Spitze 49 Kilo abgenommen und laufe mittlerweile sogar Marathon.

Vorher haben Sie geprügelt, geraucht und gesoffen?

Nein, früher gehörte das ein oder andere Bierchen zum Stadionbesuch dazu. Auswärts auch mal mehr und Fast Food in dem Rahmen natürlich sowoeso. Da blieben „Figurprobleme“ nicht aus

Stehen die Fließbänder bei Ihrem Arbeitgeber Ford still, wenn Sie unterwegs sind?

Ich arbeite in der Getriebeentwicklung und habe mit meinem Vorgesetzten eine Vereinbarung: Wenn der FC spielt, bekomme ich frei oder tausche die Schicht. Und das, obwohl er Gladbach-Fan ist.

Haben Sie ein Lieblingsstadion?

Ganz klar das Rheinenergiestadion. Nicht nur wegen dem FC, sondern weil das das Flair mit den vier Tribünen eines englischen Fußballstadions hat. Genau wie das Millerntor in St. Pauli. Mein absolutes No-Go-Stadion ist dagegen das auf Schalke – eine Multifunktionsarena ohne jeden Charme.

Und wo hat es Ihnen am besten gefallen?

Letztes Jahr war ich in Rijeka/Kroatien, da ist das Stadion in eine Felswand am Meer hineingebaut. Aber das sportlich Größte für mich war das letzte Spiel im legendären Wembleystadion. Deutschland gewann im Oktober 2000 1:0 gegen England, durch ein Tor von Didi Hamann. Und ich war live dabei. Die FC-Aufstiege waren natürlich auch allesamt richtige Highlights.

Müngersdorf

Haben Sie mal überschlagen, wieviele Kilometer und Euro Ihr Hobby bis heute gefressen hat?

Vor fünf Jahren ist meine Wohnung ausgebrannt, mit all meinen Unterlagen und Archiven. Aber grob gesagt habe ich gut 3.000 Fußballspiele gesehen. Immerhin fahre ich seit 20 Jahren Grounds ab und noch länger zum FC.

Wie viele FC-Spiele haben Sie verpasst?

Seit 1994 vier: Eins wegen Stau auf dem Weg nach München. Zwei Spiele dann bewusst, da war ich, Anfang 2000, wohl ein bisschen „ausgebrannt“. Und einmal zu Karneval fehlte mir die Motivation, um nach Hamburg zu fahren.

Fühlten Sie sich danach eher deprimiert oder befreit?

Weder noch, am Wochenende darauf ging es einfach weiter. Und im Moment ist es für mich nicht denkbar, ein Spiel zu verpassen. Weil der Verein in letzter Zeit einfach so viel Spaß macht und die Mannschaft guten Fußball spielt.

Haben Sie eine Freundin?

Ja, seit neun Jahren.

Wie kommt man an eine Frau, die solch ein Hobby hinnimmt?

Anfangs hat sie sich sogar ein bisschen dafür interessiert. Inzwischen sieht sie es eher als Geld- und Zeitverschwendung. Aber wir haben eine klare Abmachung: An Auswärtswochenenden kann ich so viele Spiele sehen, wie ich will. Und wenn der FC Heimspiel hat, bleibe ich in der Heimat.

Wenn Sie am Geburtstag Ihrer Freundin einen Privatflieger zu einem wunderschönen, super-entlegenen Stadion besteigen könnten: Party oder Flug?

Das ist eine fiese Frage. Sagen wir mal so: Wenn der FC an dem Tag im Finale der Champions League stünde, müsste ich nicht lange überlegen. (lacht)

Gibt es Groundhopper-Nachwuchs?

Oh ja, auch in Köln. Das sind gute Jungs, aber man merkt schon einen Generationenunterschied.

Nämlich?

Die älteren Groundhopper hatten zum Beispiel kein Problem damit, wenn der Kollege aus Gladbach oder Leverkusen kam. Heute spielt das teilweise schon eine Rolle.

Sind oder waren Sie ein Ultra?

Ich habe 1995 die erste Kölner Ultra-Gruppierung mitgegründet. Daraus entwickelte sich schnell die Wilde Horde, die bis heute den Kölner Kern der Bewegung bildet. Das war dann aber schon nicht mehr meine Welt.

Wieso?

Schwieriges Feld... Für mich spielte zum Beispiel Gewalt nie eine Rolle. Und irgendwann wächst du einfach auch altersmäßig raus.

Stehen Sie denn noch in der Südkurve?

Nein, und ich sitze auch nicht im Oberrang Süd, auch wenn dort meine Ursprünge liegen. Mittlerweile sitze ich seit gut einem Jahrzehnt auf der Westtribüne nahe der Nord. Das hat sich nach dem Stadionumbau so ergeben.




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