Geschichten aus 1111 Nächten (66)
Über das Tragen von jungen Frauen
Es war die Zeit, als Anton und sein Freund Jean sich in ein Kloster in der Eifel zurückgezogen hatten. Anfangs war es ihnen schwergefallen, der Stadt und ihren Verlockungen zu entsagen. Inzwischen jedoch hatten ihren Frieden gemacht mit der neuen Existenz zwischen Fasten, Beten und hin und wieder einem Schlückchen Wein. Eines Tages wurden sie von ihrem Oberen ins Dorf geschickt, Mehl für neue Oblaten zu besorgen. Tagelang hatte es geschüttet, die Straße war fürchterlich verschlammt. Kurz vor dem Dorf stand eine hübsche junge Frau am Wegesrand. Das Ende ihres langen Hippiekleides war bereits schlammbespritzt, ihre Espandrillos drohten zu versinken. Kurzerhand nahm der Tünnes die Frau auf den Arm und trug sie bis zum sicheren Bürgersteig. Die Frau bedankte sich freundlich, Schäl jedoch schüttelte den Kopf:
„Wir Mönche sollen uns den Weibsleuten doch nicht nähern“, tadelte er seinen Freund. „Und schon gar nicht den jungen hübschen. Wie konntest du das nur tun!“
Anton lächelte, als er erwiderte: „Ich habe die junge Frau dort auf dem Bürgersteig zurückgelassen. Du aber trägst sie noch immer.“
Kreuzgang der Kyllburger Stiftskirche
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