Mittwoch, 28. Juli 2010

Straßenkämpfer (13)

Herr und Frau S. aus D.

Herr S. ist Pächter eines Campingplatzes. Auf diesem Platz wohnt er auch, als Dauercamper in einem in die Jahre gekommenen Caravan. Im Sommer trägt Herr S. am liebsten ein weißes Unterhemd und eine blaue Turnhose, die er sich über den Kugelbauch und bis fast unter die Achseln zieht.
Wenn ein neuer Gast kommt, sagt Herr S. stets als erstes: "Zwischen 13 Uhr und 15 Uhr haben wir hier Mittagsruhe. Dann dürfen Sie auch nicht mit dem Auto vom oder aufs Gelände fahren. Genausowenig zwischen 22 Uhr und 6 Uhr 30."
Um seinen Caravan herum hat Herr S. ein Meer aus Blumen drapiert. Die Hohlsteine stehen stufig bis zum Caravanfenster, in jedem wächst eine andere Pflanze. Begrenzt wird das Paradies von einem Holzzaun, an dem Herr S. das folgende Schild befestigt hat:



"Unsere sanitären Anlagen sind immer abgeschlossen", sagt Herr S. zum Neuankömmling. Dabei betont er das Wort "immer" auf eine ausgesprochen soldatische Art. "Gegen ein Pfand von 10 Euro bekommen Sie von mir einen Schlüssel. Wenn Sie mir diesen Schlüssel bei Ihrer Abreise wieder aushändigen, wird das Pfand mit Ihrem Endpreis verrechnet."
Hinten am Caravan hat Herr S. ein großes Hauszelt angebaut. Darin sitzt seine Frau und sieht fern. Wenn sie nicht fernsieht, steht sie vor dem Caravan am Wegesrand und spricht mit den neuen Gästen.
"Zwischen 13 und 15 Uhr halten wir hier Mittagspause", sagt sie. Und: "Fußballspielen dürfen Sie hier nicht. Höchstens Boccia." Dabei lächelt sie trocken.
In unmittelbarer Nähe zum Campingplatz stehen zwei Restaurants, die auch beinahe den selben Namen tragen. "Beim A gibt´s billig und reichlich", sagt Herr S. "Aber der B hält sich für was Besseres."
Wenn es abends dunkel wird, flimmern verwaschen wirkende Fernsehbilder durch die transparente Folie, die das Fenster des Paares S. bildet. Die beiden, das bestätigen auch die aus dem Apparat dringenden Stimmen und Töne, mögen Filme mit Tieren. Oder über Tiere.
"Ach kuck mal, wie niedlich", sagt Frau S. immer mal wieder.
"Entschuldigung", sagt der Gast, "ich kann unseren Sanitäranlagenschlüssel nicht finden, wir haben keine Taschenlampe, und mein Sohn muss mal pinkeln."
Als Frau S. den Reißverschluss ihres Hauszeltes aufschiebt, lächelt sie wieder dieses maliziöse Lächeln. Der Fernseher wirft flackerbunte Flammen auf ihre Wangen, und ihre Hand schnellt ins Dunkel vor wie eine Raubtierkralle.
"Wissen Sie eigentlich, wie spät es ist?" fragt sie, um die Antwort sofort selbst zu geben: "Nach 10!"


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