Mittwoch, 21. Juli 2010

Thekentänzer (31)

Willy DeVille, der Kellner und Ich (und Heike)

Beim Iren sitzt ein Kerl mit hellgelbem Muscle-Shirt und zutätowierten, dürren Armen an der Theke. Er sieht aus wie Ende 30 und trägt ein hauchdünnes Minjou-Bärtchen. Dass er Willy DeVille mag, ist unverkennbar, und für 12 Uhr mittags an einem Wochentag wirkt er schon ziemlich angeschlagen. Er sagt:
„Meine Frau, wenn ich der mal einen Vorschlag mache, sagt die immer nein.“
Der Kellner hat gerade die nächsten Songs programmiert und mein Guinness angezapft. Er hat offensichtlichen Spaß an seinem Job und bedenkt jede Getränkeübergabe mit einem kleinen, aufmunternden Spruch: „Lass es dir schmecken, Kumpel!“
Genau das hat er gerade zu Willy DeVille gesagt, dessen Kölsch schon wieder fast leer ist.
„Ich frage zum Beispiel: ´Heike, wie wär´s, sollen wir dieses Wochenende an die Ahr fahren?´“
„Da haben meine Eltern ein Wochenendhaus“ sage ich. Willy hat eine tiefe, gleichwohl scharfe, schneidende Stimme, und ich will, dass er weiterredet.
„Und dann sagt die Heike: ´Nein, da säufst du doch genauso viel wie zuhause.´“
„Und?“ frage ich, „stimmt das?“
Willy beugt sich über die Theke, wir sitzen fünf Meter auseinander: „Natürlich nicht! Totaler Quatsch!!“
Und der Kellner, der leidlich Deutsch versteht, wirft ein: „Women! That´s how they are!!“
Aus den Boxen rieselt ein Stück von Van Morrison, „Moondance“, das passt überhaupt nicht.
„Aber die liebt mich“, sagt Willy. „Das glaubt keiner, aber die Heike und ich, das ist was ganz Besonderes.“
Draußen ist es so heiß, dass Schwaden von Wüstenwind durchs offene Fenster hereinzuwehen scheinen. Dann muss man ganz schnell etwas trinken. Auf den Straßen schmelzen die Gummisohlen, und selbst die Tauben machen Mittagspause. Willys Muscleshirt steckt in einer knallengen Jeans, und die wiederum in reichlich verzierten Westernstiefeln. Als er vom Klo kommt, glänzen seine pechschwarzen, zurückgekämmten Haare.
„Kennt ihr den Song ´Spanish Jack´?“ fragt er in die Runde.
Weder der Kellner noch ich zweifeln daran, dass er von Willy DeVille ist.
„Wenn der erschossen wird, dann heißt es da: ´He was so full of lead, it took six men to move him over´. Also versteht ihr das: Den hatten sie dermaßen mit Blei vollgepumpt, dass man ihn nur zu sechst zum Undertaker schleppen konnte.”
Das Wort Undertaker assoziiert man sofort mit einem hohen, abgetragenen Zylinderhut. Mit einem weißen Hemd, einer Fliege und einem Frack. Willy sähe sehr überzeugend darin aus.
„Und wisst ihr was?“ sagt er mit einem resignierten Lächeln, „wisst ihr was? Wenn ich jetzt hier rausgehe, bin ich der Spanische Jack.“
„Du wirst erschossen?“ Der Kellner grinst.
„Ja, von der Heike.“
„Das hättst du wohl gern.“
Und Willy, der bis gerade stur auf die Theke geglotzt hat, blickt nun auf, sieht dem Kellner in die Augen und sagt:
„Ja.“


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